Insight
19.11.2025

EU untersucht Cloud-Markt: Microsoft und Amazon im Fokus des Digital Markets Act

Die Europäische Kommission hat drei Marktuntersuchungen im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) eingeleitet. Zwei davon betreffen direkt die Cloud-Dienste Microsoft Azure und Amazon Web Services (AWS).

Ziel ist es, zu prüfen, ob diese Anbieter im europäischen Cloud-Markt als sogenannte Gatekeeper gelten – also als Plattformen, die zentrale Zugänge zwischen Unternehmen und Nutzenden kontrollieren. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für den europäischen Cloud-Sektor und für Unternehmen haben, die auf die Infrastruktur der beiden Marktführer setzen.

Worum es in den Untersuchungen geht

Der Digital Markets Act soll faire Wettbewerbsbedingungen in digitalen Märkten schaffen. Plattformen mit erheblichem Einfluss werden darin verpflichtet, Transparenz zu gewährleisten, Interoperabilität zu ermöglichen und diskriminierende Geschäftspraktiken zu vermeiden.

Im aktuellen Verfahren untersucht die EU-Kommission, ob Microsoft und Amazon diese Kriterien auch im Bereich ihrer Cloud-Dienste erfüllen. Dabei stehen insbesondere folgende Punkte im Fokus:

  • Wechselbarrieren zwischen Cloud-Anbietern (Lock-in-Effekte)
  • Einschränkungen bei Interoperabilität und Datentransfer
  • Zugang gewerblicher Nutzer:innen zu ihren eigenen Daten
  • Kopplungs- oder Bündelungspraktiken, die Wettbewerb verzerren könnten

Darüber hinaus wird geprüft, ob die bestehenden Verpflichtungen des DMA ausreichen, um faire Marktbedingungen im Cloud-Sektor zu gewährleisten, oder ob eine Erweiterung der Regulierung notwendig ist.

Die Cloud als kritische Infrastruktur

Cloud-Dienste sind längst mehr als nur Datenspeicher. Sie bilden die Grundlage für moderne Softwareentwicklung, Datenverarbeitung und insbesondere für künstliche Intelligenz.
Die steigende Abhängigkeit von wenigen globalen Anbietern hat den Cloud-Markt zu einem strategischen Schlüsselsektor gemacht - mit unmittelbarer Bedeutung für Wirtschaft, Verwaltung und Forschung.

Analysen zeigen, dass Microsoft Azure, Amazon Web Services und Google Cloud den grössten Teil des europäischen Marktes abdecken. Diese Konzentration wirft Fragen zu Wettbewerb, Transparenz, Preisgestaltung und langfristiger Stabilität auf.

„Cloud-Computing-Dienste sind die treibende Kraft für die digitale Zukunft Europas. Sie müssen in einem fairen, offenen und wettbewerbsorientierten Umfeld bereitgestellt werden, das Vertrauen fördert und technologische Souveränität ermöglicht“,

erklärt Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission.

Bedeutung für Schweizer Unternehmen

Auch wenn die Untersuchungen primär den EU-Raum betreffen, sind ihre Auswirkungen direkt relevant für Schweizer Unternehmen.
Viele Organisationen, vom Start-up bis zum Konzern, nutzen dieselben globalen Cloud-Infrastrukturen. Änderungen in europäischen Regulierungen, etwa zu Datenportabilität, Vertragsklauseln oder technischen Schnittstellen, können sich somit unmittelbar auf Schweizer Nutzer:innen auswirken.

Gleichzeitig entstehen neue Chancen: Unternehmen können von klareren Regeln profitieren, wenn diese zu mehr Transparenz, Interoperabilität und Rechtssicherheit führen. Wer frühzeitig auf flexible Cloud-Strategien setzt, etwa durch Multi-Cloud-Architekturen oder hybride Modelle, kann regulatorische Risiken reduzieren und die eigene digitale Handlungsfähigkeit stärken.

„Die Untersuchungen der EU zeigen, dass Cloud-Infrastruktur zunehmend als kritischer Wettbewerbsfaktor verstanden wird. Für Schweizer Unternehmen ist es entscheidend, die regulatorischen Entwicklungen in Europa aufmerksam zu verfolgen, nicht zuletzt, weil sie die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen direkt beeinflussen können.“

Sagt Adrian Mayer, AI-Experte von neuronetix.

Unsere Einschätzung

Bei neuronetix beobachten wir die aktuellen Entwicklungen im europäischen Cloud-Markt mit grossem Interesse und mit der Überzeugung, dass sie längst überfällig sind. Die Konzentration von Cloud-Diensten in den Händen weniger Anbieter hat eine Situation geschaffen, in der Innovation, Skalierbarkeit und Abhängigkeit oft eng miteinander verknüpft sind. Dass die Europäische Kommission diesen Bereich nun vertieft untersucht, ist ein notwendiger Schritt hin zu mehr Transparenz und Wettbewerbsfähigkeit.

Für Schweizer Unternehmen entsteht daraus eine doppelte Perspektive: Einerseits wird der Zugang zu Cloud-Services in Europa künftig voraussichtlich klarer geregelt und damit planbarer. Andererseits wächst der Druck, eigene Strategien zu entwickeln, um Abhängigkeiten aktiv zu managen, etwa durch Multi-Cloud-Ansätze, Open-Source-Technologien oder lokale Hosting-Modelle.

Aus technologischer Sicht bleibt Cloud der Motor moderner Digitalisierung. Doch die Frage, wo und unter welchen Rahmenbedingungen diese Infrastruktur betrieben wird, wird zunehmend zur strategischen Kernentscheidung. Wir sehen darin keinen Gegensatz zwischen Regulierung und Innovation, sondern eine Chance, langfristig stabile, faire und nachhaltige digitale Ökosysteme zu schaffen.

Nächste Schritte

Die EU-Kommission will die Untersuchungen zu Microsoft Azure und Amazon Web Services innerhalb von zwölf Monaten abschliessen. Sollten die Anbieter als Gatekeeper eingestuft werden, haben sie sechs Monate Zeit, ihre Dienste an die DMA-Verpflichtungen anzupassen.

Ein Abschlussbericht zur allgemeinen Anwendung des DMA auf den Cloud-Sektor wird innerhalb von 18 Monaten erwartet. Dieser könnte neue Anforderungen an Vertragsklarheit, Interoperabilität und Datenzugriff enthalten. Themen, die auch ausserhalb der EU zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Fazit

Mit den neuen Marktuntersuchungen rückt die Cloud-Infrastruktur ins Zentrum europäischer Wettbewerbspolitik. Die Ergebnisse werden massgeblich bestimmen, wie offen, zugänglich und nachhaltig der Cloud-Markt in Zukunft gestaltet wird.

Für Unternehmen in der Schweiz gilt:
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, Cloud-Strategien auf Resilienz, Flexibilität und Transparenz zu prüfen.
Denn Cloud ist längst keine reine Technologiefrage mehr, sie ist ein zentraler Bestandteil wirtschaftlicher Souveränität und digitaler Planungssicherheit.

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